In einem unserer aktuellen Projekte kam das Thema Micro Frontends auf – ein Ansatz, der es ermöglicht, eine Web-Anwendung in kleinere, unabhängige Bestandteile zu unterteilen. Ähnlich wie bei Microservices können diese Komponenten von verschiedenen Teams entwickelt und gewartet werden. Doch macht dieser Ansatz in allen Fällen wirklich Sinn?
Unabhängigkeit und Autonomie: Ein Hauptvorteil von Micro Frontends liegt in der Unabhängigkeit der einzelnen Komponenten. Jedes Micro Frontend kann parallel entwickelt, getestet und bereitgestellt werden, ohne dass andere Teams oder Komponenten beeinflusst werden. Verschiedene Teile der Anwendung können unterschiedliche Versionen verwenden, was Flexibilität und Autonomie in der Entwicklung ermöglicht.
Optimierung der Unternehmensressourcen: Mit Micro Frontends können Teams schneller auf Veränderungen reagieren und unabhängig voneinander arbeiten. Dadurch wird die Entwicklungszeit verkürzt und die Produktivität gesteigert, da Teams ihre Lösungen unabhängig entwickeln und umsetzen können, ohne auf andere warten zu müssen.
Erhöhte betriebliche Komplexität: Trotz der Vorteile bringen Micro Frontends auch Herausforderungen mit sich. Die Verwaltung mehrerer unabhängiger Frontend-Komponenten kann schnell kompliziert und ressourcenintensiv werden. Jedes Micro Frontend muss separat gepflegt, überwacht und integriert werden, was den Aufwand im Betrieb und der Wartung erhöht. In kleineren Projekten kann dies zu unnötiger Komplexität führen.
Micro Frontends sind besonders vorteilhaft für große Unternehmen, die extrem skalierbare und modulare Plattformen benötigen, wie zum Beispiel Amazon oder Zalando. In diesen Fällen ermöglichen Micro Frontends, dass verschiedene Entwicklerteams an spezifischen Bereichen der Plattform arbeiten, ohne sich gegenseitig zu behindern. Wenn eine hohe Flexibilität und Unabhängigkeit zwischen den Teams erforderlich ist, können Micro Frontends eine wertvolle Lösung darstellen.
Für kleinere Projekte oder Unternehmen, in denen diese Art von Skalierung und Modularität nicht notwendig ist, kann die Einführung von Micro Frontends jedoch schnell zu einer unnötigen Erhöhung der Komplexität führen. Hier sollten einfachere Ansätze bevorzugt werden, die weniger Overhead erfordern.
Ein Bereich, der als eine Art "Micro Frontend Light" betrachtet werden kann, sind Component Libraries. Diese wiederverwendbaren Bibliotheken werden häufig projektübergreifend entwickelt und bieten standardisierte Komponenten, die in verschiedenen Teams und Projekten eingesetzt werden können. Der Vorteil: Sie bieten Konsistenz und Wiederverwendbarkeit, ohne die Komplexität und den Aufwand, den vollständige Micro Frontends mit sich bringen.
Die Entscheidung, ob Micro Frontends genutzt werden sollten, hängt stark von den spezifischen Anforderungen und der Größe eines Unternehmens ab. Während sie für große, modulare Plattformen eine wertvolle Lösung sein können, führen sie in den meisten anderen Fällen zu unnötiger Komplexität. Unternehmen sollten daher sorgfältig abwägen, ob der zusätzliche Aufwand durch die Verwaltung von Micro Frontends tatsächlich gerechtfertigt ist oder ob einfachere Alternativen den gleichen Nutzen bringen können.
